Maschinenmarkt, Würzburg 98 (1992) 10 / S. 68 -73
Betriebstechnik
Malereien
Dekorieren von Teilen mit Oberflächen aus Niob
Léo
Dubal
Dr. Léo
Dubal
ist Leiter eines Labors für elektro-chemische Verfahren
zum Dekorieren von
Teilen mit Oberflächen aus Niob in Bern/Schweiz
Die
Oxigraphie, das heißt das elektrochemische Dekorieren von
Niob-Oberflächen,
ist ein relativ junges Verfahren, um Teile farblich zu
gestalten.
Zum Herstellen der Dekorationen verwendet man Masken.
Je nach Höhe der
angelegten Spannung lassen sich
unterschiedliche Farbtöne erzeugen:
Das Farbspektrum reicht von Blau über Grün bis
Gelb.
Bei einer Spannung von 70 V erhält man zudem einen
schimmernden
Amethyst-Farbton.
Niob-Oxigraphie
ist ein Färbungs-Verfahren
durch Bildung einer hochtransparenten
Interferenz-Oxidschicht auf dem Metall.
Der zugängliche Farbbereich entwickelt sich beinahe
ellipsenförmig entlang
der Blau-/Gelb-Achse des Farbdiagramms
der „Commission internationale
d‘éclairage
(C.I.E.)“. Mit Hilfe von Fotomasken oder einfachen Schablonen
gelingt es,
dekorative
Effekte zu erzeugen, die sich in Kunst und Technik leicht
anwenden lassen.
Mit
Hilfe der Oxigraphie lassen sich Oberflächen aus Niob
dekorieren —
das
heißt aus einem Metall, dessen Eigenschaften kaum
erforscht und bekannt sind.
Die transparenten, farbig erscheinenden,
dekorativen Schichten werden
elektrochemisch hergestellt.
Die dünnen Schichten erscheinen farbig.
Zum
Herstellen der Dekorationen verwendet man Masken, die sehr verschieden
aussehen
können.
Erstmals wurde im Jahre 1968 über die Ähnlichkeit des
Wachstumsmechanismus und
der elektrooptischen Eigenschaften
der elektrochemisch erzeugten Oxidschicht auf
Niob und anderen feuerfesten Metallen berichtet [1].
Die Oxidschichten erfüllen
zwei Bedingungen,
die Voraussetzung sind, um Oberflächen farbig erscheinen und
leuchten zu lassen:
hohe Transparenz und hoher Brechungsindex [2].
Die Färbung
innerhalb
des zugänglichen Farbspektrums verändert sich
entsprechend der Spannung.
In der Literatur wurden unterschiedliche elektrische Spannungswerte zum
Erzeugen
einer bestimmten Dicke der Oxidschicht angegeben.
Dafür gibt es mehrere Gründe: Die zum
Erzeugen der
Oxidschicht benötigte Spannung ist abhängig vom
Oberflächenzustand
des behandelten Metalls. Eine gute Politur wirkt
korrosionshemmend. 1990 konnte
man diesen Effekt wie folgt quantifizieren: Um auf einer polierten
Oberfläche eine bestimmte Interferenzfarbe zu erhalten,
ist eine 15 % höhere Spannung als auf einer geätzten
Oberfläche nötig.
Wenn
mit einem Pinsel [3] gearbeitet wird, können Spannungsverluste
aufgrund der Länge
der elektrolytgetränkten Haare des Pinsels entstehen.
Beim Verwenden von
Wechselspannungs-Gleichspannungs-Umwandlern [4] können die
nicht filtrierten
Oberwellen
die gemessene Gleich-Spannung bis zu 40%
übersteigen. Die Dicke der
Oxidschicht resultiert aber aus der höchsten angewandten
Spannung.
Ammoniumsulfat-Lösung als Elektrolyt verwendet
Aggressive
Elektrolyte können die Wachstumsrate der Oxidschicht um 60%
erhöhen.
Als Elektrolyt verwendet man eine wäßrige
10-prozentige Ammoniumsulfat-Lösung.
Sie ist umweltverträglich.
Bei Verwenden von Ammoniumsulfat liegt die
Wachstumsrate der Oxidschicht auf gewalztem Niob bei
rund 2 nm/V.
Die Schichtdicken, die für die Oxigraphie benötigt
werden, sind kleiner als
0,2 µm.
Die Spannungswerte sind deshalb als eine relative Skala zu betrachten,
die sich
den spezifischen Arbeitsbedingungen anpassen lassen.
Farbspektralbereiche der Oxigraphie
Um
das gesamte Farbspektrum des Niob-Oxids auf einer Grafik darstellen zu
können,
hat man bereits 1986 das C.I.E.-Farbdiagramm angewandt [5].
Erst 1990 gelang es, systematische Messungen (über 25 Spektra)
zu analysieren,
und genaue C.I.E.-Werte zu berechnen [6].
Bild
1 zeigt eine „Farbkurve“, das
heißt,
es zeigt Farbveränderungen des
gewalzten Niobs in Abhängigkeit der Spannung anhand eines
Diagramms.
Die Kurve entwickelt sich ellipsenförmig entlang der
Winkelhalbierenden des
Diagramms (Blau-Gelb-Achse).
Auf den ersten Blick lassen sich die zwei Farben
„Blau“ und „Gelb“ als
Hauptkomponenten des Spektrums erkennen.
Wegen
der thermischen Korrosion, die bei 300 K vorhanden ist, gibt es bereits
bei 0 V
eine (unsichtbare) Schichtdicke.
Deshalb stimmen der 0-V-Punkt nicht mit dem Nullpunkt
„N“ des
C.I.E.-Farbdiagramms überein.
Von 0 bis etwa 9 V entfernt sich die Farbkurve von der Blau-Gelb-Achse
nur sehr
wenig.
Bei 10 V tritt sie in den Farbbereich „Bernstein“
ein.
Bei etwa 17 V wechselt die Farbe: Die Oxidschicht wird lila.
Bei 24 V entsteht ein tiefes Blau.
Zwischen 30 und 50 V kreuzt die Farbkurve einen Hiatus, das
heißt, die
Niob-Oberfläche erscheint farblos.
Der Graph verläuft zwischen den beiden
Spannungswerten parallel zur
Blau-Gelb-Achse — nahe am Punkt „N“
vorbei.
Erst bei etwa 60 V entsteht wieder eine kräftige Farbe:
"Gold"-Gelb.
Erhöht man die Spannung auf 70 V, so
leuchtet die Oxidschicht in einem prachtvollen Amethyst-Farbton.
Bei 83 V zeigt sie einen blauen Schimmer, welches dem Blau
bei 25 V sehr
ähnelt.
Beträgt die Spannung 95 V, erscheint Grün.
Erhöht man die Spannung weiter, zeigt sich die Oxidschicht
nicht mehr in
leuchtenden Farben:
Bei 112 V kommt ein „schmutziges“ Gelb zum
Vorschein, dann nochmal die Farbe
Lila.
Es
ist sonderbar, daß sich die
Farbkurve
mit sich selbst nur im farblosen Bereich kreuzt. Sie schneidet die
Gelb-Blau-Achse zweimal in einem Farbbereich, der weit vom Null-Punkt
entfernt
liegt. Die Farbe erscheint dabei jedesmal in einem kräftigen
Ton.
Optische Eigenschaften dünner Schichten
Sichtbares
„weißes“ Licht — das
heißt Lichtstrahlen mit einer Wellenlänge zwischen
400 und 700 nm,
das auf eine reflektierende Fläche fällt,
wird gespiegelt.
Bei Auftreffen des Lichtes auf eine transparente, dünne,
optische Schicht,
zum Beispiel auf Seifenblasen und dünnen feuerfesten
Oxidschichten,
wird ein Teil der Lichtstrahlen zweimal reflektiert:
erstens von der vorderen Oberfläche der Schicht und
zweitens von der hinteren Schichtoberfläche.
Die doppelte Reflektion führt zum bekannten Phänomen
der optischen Interferenz.
Die Überlagerung der Lichtreflexionen ist
ausschließlich in Ausnahmefällen
eine einfache Addition der bei den Intensitäten.
Bei bestimmten Schichtdicken kann es somit zu einer
Auslöschung der
reflektierten Lichtstrahlen kommen.
Die Intensität des Lichtes folgt der trigonometrischen
Funktion:
cos2 (p d/l)
Es
bedeuten: d
ist der Zusatzweg und l
die Wellenlänge der reflektierten Lichtstrahlen.
Der Zusatzweg ist abhängig von der Schichtdicke.
Eine totale Auslöschung des Lichtes findet nur im
Fall der Wellenlänge
l = 2 d (2 m —
1) statt.
Die Variable m entspricht
der Ordnung
der zyklischen cos2-Funktion.
Bild
2 zeigt ein Interferenzspektrum der ersten, zweiten und
dritten Ordnung,
das heißt den Effekt eines Interferenzfilters für
weißes Licht.
Dieser Filter besteht
aus einem Blech aus feuerfestem Metall und einer
Oxidschicht.
Die Filmdicken sind so gewählt, daß sie genau die
Wellenlänge l
= 550 nm auslöschen.
Experimentell wurden solche Spektra mit Muster bei verschiedenen
Spannungen
ermittelt [2, 6] und
charakteristische cos2-Verteilungen
nachgewiesen.
Das bestätigt, daß die beobachteten Farben
Interferenzfarben sind:
Wenn ein Teil des weißen Lichtes ausgelöscht wird,
muß das reflektierende
Licht farbig sein.
Bild
2 zeigt auch, daß bei höherer Ordnung
die Intensitäts-Verteilung dichter wird.
Das hat zur Folge,
daß jetzt, zwischen 400 nm und 700 nm, zwei Minima Platz
finden.
Technik des Färbens von Niob-Oberflächen
Eine
doppelte „Filtrierung“ des weißen
Spektrums ist zum Beispiel erforderlich,
um die Farbe „Grün“ zu
produzieren.
Violett und Rot müssen dabei aber
gleichzeitig unterdrückt werden, und das kann gerade nicht
bei m = 1
geschehen.
So enthüllt sich das Geheimnis des Farb-Hiatus für
die Oxidschichtdicke, die
bei Spannungen zwischen 30 und 50 V erzeugt wird.
Um dieses Phänomen noch präziser
darzustellen, faßt Bild 3 die
gemessenen Spektra [6] zusammen.
Nur die Position
der Minima für jedes einzelne Spektrum wird registriert. Zum
Beispiel erzeugt
man ein Minimum l
=
550 nm (Bild 2)
bei drei verschiedenen Spannungen: 20 V, 80V und
135V.
Die
Bedeutung des Farb-Hiatus in Bezug auf fehlende Minima kommt klar zum
Vorschein.
Im Gegensatz dazu
werden im Spannungsbereich zwischen 85 und 100 V die Farbtöne
Grün sichtbar,
weil zwei Minima auftreten.
Meistens
werden Oberflächen aus Niob mit Hilfe des Tauchverfahrens
gefärbt. Das Werkstück
liegt an der Anode.
Variationen des Färbeverfahrens sind möglich:
Erhöht man die Spannung während des Herausziehens aus
dem Tauchbad,
so
entsteht eine Farbreihe gemäß des Graphen in Bild 1.
Man
benötigt für das elektrochemisehe Färben der
Niob-Oberflächen nicht
unbedingt ein Tauchbad.
Mit Hilfe eines Pinsels [3] läßt sich ebenfalls der
zum Oxidieren verwendete
Elektrolyt in Kontakt mit der Oberfläche bringen.
Masken und Schablonen ermöglichen zudem eine differenzierte
Farbgestaltung.
Bei
der Oxigraphie erhält das Werkstück ein bestimmtes
elektrisches Potential, das
dann stufenweise verkleinert wird.
Jede kleinere Spannung als die zuerst angelegte verändert
nicht die Färbung.
Die zum Dekorieren aufgebrachten Masken müssen nach jeder
Spannungsabsenkung
verändert werden.
Drei Maskenstoffe haben sich bewährt: lichtempfindliche Lacke,
Lacke und
Klebfolien.
Eine gute Reinigung zuvor ist unerläßlich.
Herstellen von Masken mit Hilfe eines Fotolacks
Das
Auftragen von lichtempfindilehen Lacken ist aufwendig, aber es lassen
sich damit
variationsreiche Masken herstellen.
Sehr gute Erfahrungen macht man mit einem Fotospray. Am besten haftet
das Spray
auf mattem, flachem Niob-Blech,
das auf maximal 70 °C vorgewärmt wurde.
Nach
der (doppelten) Belichtung des Fotolacks und Auflösung der
nicht-belichteten
Lackstoffe können für Bildkompositionen
alle Vorgänge mit Hilfe einer Fotomaske gemacht
werden.
Die Oberflächen, die nicht oxidiert wurden als das
Werkstück sein größtes
elektrisches Potential hatte, werden mit „schwarzem
Ätzgrund“ abgedeckt.
Wenn dieser Lack mit Terpentin entfernt wird, verändert sich
der darunter
befindliche Fotolack nicht.
An dessen Gestaltung kann nun weiter fortgefahren werden.
Vor der letzten Oberflächenbehandlungsstufe wird mit Hilfe von
Aceton die
Fotomaske entfernt.
Das
Foto, das auf die Niob-Oberfläche aufgetragen werden soll,
wird auf eine
Tageslichtprojektorfolie kopiert.
Umkehrfllme erlauben — außer der
Rasterung
— die nötige Anpassung an den Oxigraphievorgang und
gestatten Flexibilität bei der Auswahl von
Pseudofarben.
Eine 30%ige Lösung von Acetat in Aceton eignet sich als sehr gut haftender, schnell trocknender Maskenlack. Er wird mit einem Pinsel aufgetragen und mit Aceton wieder entfernt— deshalb kann dieser Lack nicht mit Fotolack zusammen verwendet werden.
Klebfolie
eignet sich sehr gut als Maskenstoff, wenn man den Elektrolyten mit
einem Pinsel
aufträgt,
weil Luftblasen sofort erkennbar sind. Es erlaubt auch in
einer Vorstufe
Teilflächen matt zu bürsten.
Die
durchsichtige Klebfolie wird —falls nicht gradlinige
Schablonen erwünscht
sind — meist verwendet.
Bild 4 zeigt Teile, die so gestaltet wurden.
Die
Oxidschicht ist stets so dünn, daß
Fingerabdrücke Fettbeläge hinterlassen,
die dieFarben trüben.
Diese können aber mit Methanolgetränkten
Papiertaschentüchern wieder entfernt
werden.
Die
weitere Entwicklung der NiobOxigraphie als Kunstform ist nicht
vorauszusehen.
Dagegen sind Perspektiven in der dekorativen und funktionellen
Anwendung
vorhanden.
Markieren von Geräteteilen mit Oberflächen aus Niob
Niob
hat, verglichen mit Silber — welches ihm an Dichte gleicht
—‚ den Vorteil,
daß es
kaltgeformt und farblich gestaltet werden kann. Es wirkt
„antiallergisch“.
Zum
Markieren von technischen Geräten kann Niob auf die
Gerätegehäuse gesputtert
werden.
Ab einer Schichtdicke von 100 nm ist eine Farbkennzeichnung, zum
Beispiel von Glasgefäßen und zahntechnischen
Geräten möglich.
Schrifttum
[1]
Kover, F. und
M. J. Musselin: A Comparative Study of Anodic Oxid Films on
Titanium, Nioblum
and Tantalum.
Thin Solid Films 6(1968)
2. S.211—234.
[2]
Dubal. L.: Chromatique des films minces.
Oberfläche/Surface
8 (1989) 1/2, S. 16—21.
[3]
Dubal. L.:
Dekorative Farbeffekte auf
feuerfsten Metallen. Galvanotechnik
10 (1990) 81. S. 1665—1667.
[4]
Ward. J. B.: The Colouring and Working of
Refractory Metals,
Report 35/1. London: The Worshipful Company of Goldsmiths 1982.
[5] Schulze.
M.. und K. Hulka: Report CBMM Nr. 14. Düsseldorf:
Nioblum Product Company
1986.
[6] Kimeswenger
K., und J. Morawec: Spektrometermessung,
..Silhouette“ Linz, März 1990.
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Léo Dubal /Nîmes
dubal (at) sfr.fr
06/02/03 22:19